Das sonderbare Arrangement einer psychoanalytischen Sitzung im Sprechzimmer des Analytikers gibt Rätsel auf. Der Analytiker sitzt auf einem Stuhl, ungesehen von dem abgewandt auf einer Couch liegenden Patienten. So ist es seit Freud, obwohl diese Gepflogenheit wie der Autor zeigt stärker in der Kulturgeschichte des Liegens wurzelt als in empirischer Forschung. Kravis, selbst praktizierender Analytiker, weist nach, dass die Tradition des Sprechens im Liegen nicht etwa von Freud begründet wurde, sondern zurückreicht bis ins antike Griechenland, wo die Teilnehmer am symposion (einer Zusammenkunft von Männern der Oberschicht zu philosophischen Gesprächen und Weingenuss) auf Couchen lagen, beziehungsweise bis zum römischen convivium (einem Bankett, bei dem Männer wie auch Frauen zurückgelehnt speisten). Vom Bett über die Bank, die Polsterbank, die Chaiselongue zum Sofa: Kravis erzählt, wie die Couch zum Symbol der Selbsterkenntnis und Selbstbesinnung, aber auch zu einem Ort des Vergnügens, der Intimität, der Transgression und der Heilung wurde. Dabei schöpft der Autor aus vielfältigen Quellen: der Geschichte der Medizin, der Mode und der Inneneinrichtung - von antiken Grabstätten über historisches Mobiliar bis zu frühen Fotografien. Zudem liefert er eine bemerkenswerte Fülle von Abbildungen: Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Illustrationen, Cartoons und Werbeanzeigen. Und er zeigt überzeugend, dass die Couch - trotz der Ambivalenz heutiger Psychoanalytiker, die dieses Möbelstück teilweise für ,,infantilisierend" halten - weiterhin das Sinnbild eines Narrativs der Selbstfindung ist. Das Sprechen im Liegen symbolisiert die Behauptung eigenen Denkens in Gegenwart einer anderen Person. Weitere Informationen: | | Author: | Nathan Kravis; Dominik Fehrmann | Verlag: | edition frölich | Sprache: | ger |
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